Bobfahren aus sportmedizinischer Sicht

Im Februar 2016 finden die Weltmeisterschaften im Bob und Skeleton in der Tiroler Olympiaregion Innsbruck/Igls statt. Dreimal schon brannte das olympische Feuer über der Stadt im Westen Österreichs – bei den Olympischen Spielen 1964 und 1976 sowie bei den ersten Olympischen Jugendspielen 2012. Im Eiskanal von Igls werden vom 08. bis 21. Februar sechs Titel vergeben, wobei der Wettbewerb um die große Glaskugel im Vierer-Bob der Männer das Highlight sein wird. Zusammen mit den Skeletonathleten wird auch wieder ein Team-Wettbewerb ausgetragen und erstmals ein Testrennen im Vierer-Bob der Frauen.

Die Saison wurde vor Weihnachten mit den drei Weltcups in Deutschland (Altenberg,Winterberg und Königsee) gestartet - und wird in diesem Jahr noch einen „Nachschlag“ bekommen. Im Anschluss an die Weltcup-Serie werden die besten Teams ins Land der Olympischen Winterspiele 2018 nach Südkorea reisen. Dort steht die Homologierung des olympischen Eiskanals In Pyeongchang auf dem Programm.

Anforderungs- und Belastungsprofil

Grundlage für eine gute Fahrt im Eiskanal ist der Start. Die Mannschaft schiebt den Bob möglichst schnell bis zu 15 Metern auf zwei Prozent Gefälle an, bevor Pilot und Anschieber in den Bob springen. Nach 50 Metern wird die Startzeit gemessen. Der  Pilot steuert den Bob, möglichst auf der Ideallinie, den Eiskanal hinunter ins Ziel. Mit hohen Geschwindigkeitsverlusten gehen Bandenberührungen und ein Abheben des Bobs vom Eis einher. Der Schlussmann (Bremser) ist nach Überqueren der Ziellinie mit zwei Handbremshebeln für das Bremsen des Bobs zuständig – während der Fahrt wird heutzutage nicht mehr gebremst!

Die besonders hohen athletischen Anforderungen haben dazu geführt, dass die Positionen der Anschieber und Bremser immer häufiger von Leichtathleten besetzt werden. Die idealen Voraussetzungen werden durch gezieltes Maximalkrafttraining mit Schnellkrafttraining kombiniert, um schnelle Abrisszeiten beim Start zu erreichen. Koordinationstraining und Verbesserung der Anschubtechnik runden das Ganzjahrestrainingsprogramm ab.

Akute Verletzungen

Die Sportart an sich ist wenig verletzungsträchtig. Häufig treten allerdings bereits am Start Weichteilverletzungen auf. Das kann durch Ab- und Ausrutschen beim Einsteigen in den Bob passieren oder auch durch die Spikes an den Schuhen der  Mannschaftskollegen. Während der Fahrt „verschwinden“ die Anschieber nahezu vollständig im Bob und verbringen die etwa 60 Sekunden bis zum Ziel in stark nach vorn gebeugter Körperhaltung. In dieser Position ist die Aerodynamik zwar besonders gut, aber die gesamte Wirbelsäule ist dadurch starken Belastungen ausgesetzt, so dass akute Schmerzattacken ausgelöst werden können.

Das hohe Gewicht der Sportgeräte schon ohne die Athleten (Zweier-Bob: 170 Kilo - Vierer-Bob: 210 Kilo), die harten Materialien und die teils rauen Bedingungen der Umgebung können beim Transport, der Vorbereitung oder auch im Wettkampf zu stumpfen Traumata führen. Quetschungen an Händen und Fingern, Nagelhämatome,  aber auch Prellungen und Hämatome an den Extremitäten sind keine Seltenheit. Die zum Anschieben des Schlittens auf dem Eis erforderlichen Spikes führen bei Kontakt mit den Teamkollegen während der Startphase vor allem beim Vierer-Bob zu Risswunden an Beinen und Händen, die heftig bluten können.

Im Falle eines Sturzes, wenn der Bob während der Fahrt im Eiskanal umkippt, versucht der Athlet, möglichst tief im Bob zu „verschwinden“, um nicht mit dem Kopf auf das Eis zu schlagen. Die enorm hohen Kräfte haben discoligamentäre Verletzungen meist der Halswirbelsäule, Kompressionsfrakturen der Lendenwirbelsäule und Gehirnerschütterungen zur Folge. Dies ist abzuklären. Längere Kontaktzeiten von Schultern oder anderen Körperteilen mit dem Eis führen zu Verbrennungen an exponierten Stellen mit entsprechender Narbenbildung - oder machen sogar eine Operation notwendig. Schutzausrüstungen sind empfohlen und können helfen, das Risiko solcher Verletzungen zu minimieren. Die aktuelle Diskussion um das Thema Concussion (Gehirnerschütterung) hat auch den Bobsport erreicht. Zur Verbesserung der Objektivität nach einer Concussion hat sich der Weltverband IBSF entschlossen, ein standardisiertes Messinstrument verpflichtend einzuführen. Dafür wird ein 20-minütiger Baseline-Test am heimischen Computer zur Beurteilung der cerebralen Belastung und Leistungsfähigkeit durchgeführt.

Nach einem verdächtigen Sturz, einer ungewöhnlichen Kollision oder bei auftretenden Symptomen kann so über die Bahn- oder Mannschaftsärzte ein Vergleichstest durchgeführt werden, und das Verhältnis der Messergebnisse mit den klinischen Befunden zur Beurteilung einer Erlaubnis „return-to-slide“ (Lizenz) herangezogen werden. Damit haben auch Athleten aus allen Teilen der Welt die Möglichkeit, von den Erfahrungen der modernen Wissenschaft und Medizin zu profitieren.

Gelegentlich rutscht der sogenannte Bremser aus dem Bob heraus. Der Athlet muss dann möglichst schnell die Bobbahn verlassen, um nicht von seinem eigenen Bob erfasst oder verletzt zu werden, falls der zum tiefsten Punkt der Bahn zurückrutscht. Zu tödlichen Verletzungen kommt es dank der konstanten Optimierung der Bahnen und Bobs sowie einem gezielten Fahrtraining nur noch sehr, sehr selten. Die meisten Verletzungen treten im Training auf. Vor allem beim Ausgleichssport wie etwa beim Fußball spielen, das der Verbesserung der Koordination dienen soll.

Überlastungsschäden

Weitere Verletzungs- und Überlastungsmuster entsprechen denen der Leichtathletik. Überlastungen der Sehnenansätze und der belasteten Knorpelanteile in den Kniegelenken sind möglich und müssen konsequent diagnostiziert und austherapiert werden. Aufgrund der hohen Belastung der Hals- und Lendenwirbelsäule ist hier auftretenden Beschwerden besondere Beachtung zu schenken. Eine gezielte Abklärung der Sportfähigkeit ist zur Vorbeugung von dauerhaften Schäden angezeigt.

Die im Rahmen der großen Multicenter-Studie RanRücken innerhalb des MiSpEx (Medicine in Spine Exercise)-Netzwerks gewonnenen Erkenntnisse der Funktionsdiagnostik und die Ableitung von spezifischen Kräftigungs- und Stabilisationsübungen werden direkt in die Praxis umgesetzt.

Prävention

Bei den auftretenden Beschwerden und Überlastungsschäden der unteren Lendenwirbelsäule ist vor allem eine ausreichende Rumpfstabilität wichtig. Die gezielte Trainingssteuerung beginnt seit einigen Jahren schon bei den Jahresgrunduntersuchungen, wo bereits Kraft- und sensomotorische Messungen stattfinden. Der muskuläre Zustand des gesamten Körpers ist das entscheidende Kapital der teils schon etwas älteren Sportler. Deshalb sollte das sportartspezifische Trainingsprogramm konsequent um ein ausgleichendes Sport- und Rehabilitationsprogramm ergänzt werden.

Über den Autor:

Dr. med. Christian Schneider ist Chefarzt des Sportorthopädischen Instituts der Schön Klinik in München Harlaching. Er ist leitender Verbandsarzt des Bob- und Schlittenverbandes Deutschland eV (BSD), Vorsitzender der Verbandsärzte Deutschland eV, GOTS-Vorstandsmitglied und Mitglied der medizinischen Kommission des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB).

   

Radiale Stoßwellentherapie

25.03.2015

Akute Radiale Stosswellentherapie - neue Konzepte und Möglichkeiten bei Fussballprofis.

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Verletzungen im Mountainbikesport

Mountainbiking ist eine junge und schnell wachsende Sportart, die fest mit den Namen der MTB-Urväter Gary Fisher, Joe Breeze, Charles Kelly und Tom Ritchey verbunden ist.
Die ersten MTB-Wettkämpfe wurden in den frühen 80er Jahren in Californien (USA) ausgetragen.
Die UCI-Mountainbike-Weltmeisterschaften finden seit 1990 statt. Es wird in den Disziplinen Cross Country, Four Cross, Downhill und Trial gegeneinander angetreten. Seit dem Jahr 2003 findet zusätzlich auch eine Weltmeisterschaft in der Disziplin Marathon statt.
Der UCI-Mountainbike-Worldcup wird jährlich in verschiedenen Ländern weltweit ausgetragen. Dabei wird in den Kategorien Cross Country Marathon (XCM), Cross Country (XC), Downhill (DH) und Four Cross (4X) um Worldcup-Punkte gekämpft
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Verletzungen beim alpinen Skisport

Der alpine Skirennsport mit seinen verschiedenen Disziplinen erfordert Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit, Koordination und Mut. So werden bei den Herren-Abfahrten Geschwindigkeiten von bis zu 150 km/h erreicht und Sprünge über bis zu 80 Meter ausgeführt.

Die Belastungen der Band-Gelenk-Strukturen beim Skirennlauf hängen von der Resultierenden aller am Athleten angreifenden Kräfte sowie von der Körperposition ab. Belastungen des vierfachen Körpergewichts können gerade noch bewältigt werden. Wird jedoch bei 100 km/h ein Kurvenradius von 21 Metern unterschritten, kann die Belastung von 4 g nicht mehr gehalten werden. Das heißt: Eigentlich sind die Belastungsgrenzen des Bewegungsapparates im alpinen Skirennlauf schon überschritten...hier weiterlesen

Verletzungen beim Biathlon

Biathlon (griech. Doppelkampf) ist ein olympischer Winterwettbewerb, bestehend aus Skilanglauf in Skatingtechnik und eingeschobenen Schießübungen mit einem 5,6-Millimeter-Kleinkalibergewehr. Die olympische Premiere fand 1960 in Squaw Valley bei den VIII. Olympischen Winterspielen statt. Seit 1992 haben auch Biathletinnen die Möglichkeit, bei Winterolympiaden Medaillen zu erringen. Bei Weltmeisterschaften werden in den sechs Disziplinen Sprint, Verfolgung, Einzel, Massenstart, Staffel und Mixed-Staffel Medaillen vergeben....hier weiterlesen

Skilanglauf aus sportmedizinischer Sicht

Skilanglauf ist eine nordische Wintersportart, bei der in der sogenannten klassischen oder freien (Skating) Technik auf Skiern gelaufen wird. In der Regel werden speziell präparierte Loipen benutzt. Als Leistungssport ist Langlauf insbesondere in Skandinavien sehr populär. Die wichtigsten Wettbewerbe im Skilanglauf werden vom Weltverband FIS organisiert. Die gelaufenen Distanzen in den Wettbewerben reichen von wenigen Kilometern (Sprint) bis maximal 50 Kilometer....hier weiterlesen

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